Auf dem richtigen Dampfer? – Wie die Schifffahrt grüner werden kann

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Auf internationaler Ebene verabschiedete die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization, IMO) Maßnahmen gegen die prognostizierten, steigenden Emissionen. Im Jahr 2018 einigten sich die Mitgliedsländer darauf bis 2050 die Treibhausgas-Emissionen um 50 % zu reduzieren. Für weitreichendere Maßnahmen, die mit den Zielen des Pariser Klimaabkommen 2015 konform sein würden, konnte sich Ende 2021 nicht übereingekommen werden. Die Anträge einen emissionsfreien oder kohlenstoffneutralen Schiffsverkehr bis 2050 zu erreichen, wurden von einer kleinen Gruppe an Ländern (Russland, Saudi-Arabien, Vereinigte Emirate, China und Argentinien) abgelehnt. Die nächste Revision der Ziele erfolgt erst wieder im Jahr 2023.[3] Auf europäischer Ebene wurde der Schiffverkehr in dem Fit for 55-Gesetzespaket einbezogen, beispielsweise indem er in das EU-Emissionshandelssystem (ETS) aufgenommen werden soll.[4] Am 23. Juni 2022 stimmte das Europäische Parlament dafür, dass der Schifffahrtssektor zusammen mit dem Verkehrs- und Gebäudesektor ein separates ETS (ETS II) erhalten soll. Eine Abstimmung der Maßnahmen mit den EU-Mitgliedstaaten steht noch aus.[5]

Wie kann die Schifffahrt klimafreundlicher werden?

Während Antriebe von kleineren Passagierfähren, Motorboote und Binnenschiffe auch elektrifiziert werden können, ist dies bei Schiffen größerer Leistung oder Reichweite nicht ohne weiteres möglich. Zu diesen Schiffen gehören unter anderem Seeschiffe wie Tanker, Kreuzfahrt- und Containerschiffe oder auch Küstenmotorschiffe und RoPax-Fähren.

Mit dem schnell umsetzbaren „Slow-Steaming“ (langsam fahren) oder Effizienzsteigerungen durch Technologien ist es noch lange nicht getan. Die Kraftstoffe Marinediesel und Schweröle müssen durch klimafreundliche Alternativen ersetzt werden. Der Einsatz von herkömmlichem verflüssigtem Erdgas (Liquid Natural Gas, LNG) und Methanol kann die Emissionen nur um 15 bis 25% bzw. 10% Prozent reduzieren.[6]

Power-to-X-Produkte sind als Kraftstoff daher zukünftig unverzichtbar. Dazu zählen Wasserstoff (druckförmig, flüssig, in Trägeröle (sogenannte Liquid Organic Hydrogen Carriers, LOHC) gespeichert), Ammoniak, Methanol, synthetischer Diesel und synthetisches Erdgas (Synthetic Natural Gas, SNG). Als Antriebsmaschinen sind neben Verbrennungsmotoren auch Brennstoffzellen kombiniert mit Elektromotoren möglich.

Die Technologien unterscheiden sich noch sehr in ihrem Reifegrad. Wasserstoff wird bereits heute in Dual-Fuel-Verbrennungsmotoren und in Brennstoffzellen eingesetzt vor allem auf Privat- und Arbeitsbooten oder kleineren Fähren. Mit Methanol betriebene Verbrennungsmotoren befinden sich bereits seit Jahren auf dem Markt. Aktuell werden auch Methanolbrennstoffzellen in Demonstrationsprojekten erprobt. Für das allseits als vielversprechendes Antriebsmittel gehandelte Ammoniak werden derzeit in zahlreichen Projekten von prominenten Schiffsmotorenherstellern Verbrennungsmotoren entwickelt. Ammoniakbrennstoffzellen befinden sich ebenfalls in der Entwicklung.[7] SNG kann bereits in Schiffsmotoren eingesetzt werden. Der Entwicklungsbedarf liegt hier jedoch bei der Reduktion des Methan-Schlupfes. Unverbranntes SNG entweicht dem Motor und gelangt in die Atmosphäre, wo es 28-mal klimaschädlicher wirkt als CO2.[8]

An der Vielzahl der genannten Möglichkeiten zeichnet sich bereits eine der Herausforderungen ab. Jedes dieser Wasserstoffderivate hat Vor- und Nachteile, sodass sich noch keines als klarer Favorit herausgestellt hat. Nicht alle eignen sich in gleicher Form, um die verschiedenen Schiffstypen mit ihren sich unterscheidenden Einsatzprofilen, Fahrstrecken und Größen anzutreiben.

Das liegt an der Energiedichte der Medien und wie sie in Tanks an Bord gespeichert werden können. Um ein Beispiel zu geben, ein Kubikmeter auf 700 bar komprimierter Wasserstoff trägt etwa nur ein Drittel der Energie wie die gleiche Menge Ammoniak. Dementsprechend nimmt druckförmiger Wasserstoff viel mehr Raum auf dem Schiff ein. Für Passagierfähren oder Binnenschiffe, die regelmäßigen Zugang zu einer Tankinfrastruktur haben, ist dies kein KO-Kriterium. Für seegehende Containerschiffe jedoch schon.

Geringe Verfügbarkeit von Wasserstoffderivaten und hohe Preise

Die Entwicklung der Motoren und Brennstoffzellen sowie die Abwägung, welches Medium auf welchem Schiff seinen Platz findet, sind dabei nicht die einzigen Herausforderungen. Der Markthochlauf einer nachhaltigen Schifffahrt wird derzeit vor allem durch die geringe Verfügbarkeit der PtX-Produkte als Kraftstoffe und deren hohe Preise gebremst.[9] Es kommt hinzu, dass Schiffe eine Lebensdauer von mehreren Jahrzenten haben und der Bau mit hohen Investitionskosten verbunden ist. Die Entscheidung für eine Technologie ist daher eine langfristige. Der Umbau auf eine andere Antriebsart gestaltet sich mitunter technisch schwierig und ist oft nicht wirtschaftlich. Um das zu umgehen, sollte bereits bei Entwurf und Bau von Schiffen der spätere Einsatz von alternativen Kraftstoffen berücksichtigt werden.

Auch regulatorisch gibt es noch offene Punkte. Da die einzelnen Stoffe sehr unterschiedlich in Aggregatzustand und Gefahrenpotential sind, gibt es keine einheitlichen Regeln und Standards. Für einige Derivate müssen sie erst erarbeitet werden.[10] Für einen sicheren Umgang sind zudem Schulungen und Weiterbildungen der Schiffsbesatzung und des Hafenpersonals nötig.

Der Einsatz im internationalen Seeverkehr stellt weitere Herausforderungen dar. Die Kraftstoffe müssen in allen Zielhäfen verfügbar sein. Die niedrigere Energiedichte von Wasserstoff, Ammoniak und Methanol verringert bei gleichbleibender Tankgröße auch die Reichweite der Schiffe, bei größeren Treibstofftanks verringert sich wiederum das Frachtvolumen. Für eine klimafreundliche Schifffahrt wird es daher immer wichtiger, Schiffe auf ihre Routen hin anzupassen.[11]

Ein möglicher Lösungsansatz wäre, wichtige Handelswege als Grüne Korridore einzurichten. Durch eine Zusammenarbeit der Stakeholder kann eine emissionsfreie Schifffahrt entlang dieser Routen gelingen. Zu den wichtigen Akteuren gehören dabei Reedereien, Kraftstoffhersteller, Frachteigner, Regulierungs- und Hafenbehörden und Klassifikationsgesellschaften. Die ersten Grünen Korridore könnten dann positive Übertragungseffekte auf den restlichen Verkehr haben. [12] Bei der UN-Klimaschutzkonferenz in Glasgow unterzeichneten bereits 22 Nationen, darunter Deutschland, eine Erklärung, bis 2025 mindestens sechs Korridore einzurichten.[13]

Es zeigt sich, die Schifffahrt steht erst am Anfang ihrer Transformation. Wie schnell die Entwicklung voranschreitet, hängt auch von den politischen Zielsetzungen der EU und IMO und verbindlichen Gesetzen ab.

Von Junior Consultant Verena Hertzsch

[1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/gewaesser/meere/nutzung-belastungen/schifffahrt#fakten-zur-seeschifffahrt-und-zu-ihren-auswirkungen-auf-die-umwelt

[2] https://wwwcdn.imo.org/localresources/en/OurWork/Environment/Documents/Fourth%20IMO%20GHG%20Study%202020%20-%20Full%20report%20and%20annexes.pdf

[3] https://www.cleanshipping.org/un-shipping-agency-climate-talks-again-held-back-by-handful-of-blockers/

[4] https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal/delivering-european-green-deal_de

[5] https://www.deutschlandfunk.de/eu-gesetzespaket-fit-for-55-wie-die-eu-ihre-klimaziele-100.html#Ergebnis

[6] https://www.dnv.com/maritime/publications/alternative-fuels-for-containerships-download.html

[7] Beispiele für Projekte/Akteure: Methanol: Stena Germanica, Pa-X-ell2, Hydrogen One, Maersk im Bereich grüner Ammoniak: ShipFC, Demo 2000, MAN, Wärtsilä im Bereich LOHC: HyNjord, im Bereich CH2: Sea Change, ELEKTRA, HY-NOVA 40, im Bereich LH2: MF Hydra.

[8] Maritime Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland

[9] Beispielsweise der Betrieb der Stena Germanica mit Methanol: https://www.dvz.de/rubriken/test-technik/alternative-antriebe/detail/news/methanol-lohnt-sich-wirtschaftlich-nicht.html

[10] Das wird unter anderem in der Studie vom DLR behandelt: https://www.dlr.de/content/de/downloads/publikationen/broschueren/2022/kurzstudie-maritime-treibstoffe.pdf?__blob=publicationFile&v=4

[11] https://www.dnv.com/maritime/publications/alternative-fuels-for-containerships-download.html

[12] https://www.globalmaritimeforum.org/content/2021/11/The-Next-Wave-Green-Corridors.pdf

[13] https://ukcop26.org/cop-26-clydebank-declaration-for-green-shipping-corridors/

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