Vom Meer in den Tank – Grüner Wasserstoff in der maritimen Wirtschaft

Wird der Wasserstoff offshore erzeugt, werden Häfen wie bisher die Infrastruktur für die Logistik der Erzeugungstechnologie stellen, wozu neben Elektrolyseuren klassische Komponenten der Offshore-Windenergie zählen. Darüber hinaus eigenen sich Häfen wegen ihrer guten Verkehrsanbindungen als Wasserstoffhubs und bei Importen als Standort entsprechender Terminals zur Lagerung und Verteilung des Energieträgers und seiner Power-to-X-Folgeprodukte.1  Beim Import über Distanzen von mehreren tausend Kilometern wird die Schifffahrt wie bisher für fossile Energieträger als zentrales Transportmedium fungieren. Außerdem ist sie ein wichtiger Bereich der Wasserstoffanwendung. Fracht- und Passagierschiffe lassen sich nur über den Einsatz von grünem Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen wie Methanol, Ammoniak, E-LNG oder E-Diesel defossilisieren. Batterieantriebe allein sind dafür wegen ihres großen Gewichts bei gleichzeitig geringer Reichweite ungeeignet. Kurz gesagt, Häfen und Schiffe sind entlang der gesamten Wasserstoffwertschöpfungskette relevant.  

Wasserstofferzeugung in der Nordsee 

Richtet man den Blick auf die heimischen Wasserstofferzeugung rückt vor allem der europäische Nordseeraum in den Fokus. Weite Flächen, stetig hohe Windstärken und die nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit von Wasser machen die Nordsee für die Elektrolyse auf hoher See attraktiv. Für das Erreichen der angestrebten Elektrolyseziele von 10 Gigawatt bis 2030 betont auch der Koalitionsvertrag der Bundesregierung die zentrale Rolle der Offshore-Windenergie explizit.3 Etliche Projektierer wollen in den nächsten Jahren die Elektrolyse aus Offshore-Windenergie in der Nordsee erproben. Dabei reicht die Spanne von Pilotprojekten, wobei Elektrolyseure direkt an einzelne Offshore-Windturbinen gekoppelt werden, über großangelegte künstliche Energieinseln im Gigawattbereich.4
Neben technischen und wirtschaftlichen Abwägungen ist politisch allerdings noch nicht ausgemacht, ob die angestrebten Elektrolyseleistungen hauptsächlich offshore installiert werden sollen oder onshore, wobei dann die Elektrolyse an Land stattfindet und nur den benötigten Strom über Kabelanbindungen aus Offshore-Windparks bezieht. Im ersten Fall könnten weit mehr Erzeugungspotenziale gehoben werden als per Onshore-Elektrolyse, die an Offshore-Windparks gekoppelt ist. Denn Kabelanbindungen sind sehr kostenintensiv und bedürfen langer Genehmigungszeiten. Daher ist hier das Konzept der meerseitigen Offshore-Wasserstofferzeugung am vielversprechendsten für das Erreichen der Elektrolyseziele. Die wirtschaftlichste Transportoption für den Wasserstoff ist dabei das Abführen per Pipeline, da der molekulare Transport die energetische Kapazität von mehreren Hochspannungsseekabeln umfassen kann.5 Pipelines können außerdem zugleich als Pufferspeicher dienen. Der Transportweg per Schiff rechnet sich erst ab Strecken von mehreren tausend Kilometern und kommt daher für die Nordsee eher nicht in Frage.6 An Land könnte der Wasserstoff ab den 2030er Jahren in das Gasnetz eingespeist und verteilt werden (zuvor muss das Netz umgerüstet und ausgebaut werden). Dieses Konzept will die Initiative AquaVentus umsetzen. Sie plant bis 2035 in der deutschen Nordsee 10 Gigawatt Elektrolyseleistung aus Offshore-Windenergie zu installieren und den erzeugten Wasserstoff über eine Pipeline an Land zu transportieren.
Auch Wasserstoffderivate können auf hoher See mithilfe von Offshore-Windenergie produziert werden. Die Offshore-Herstellung von grünem Ammoniak und Methanol erprobt unter anderem das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Wasserstoffleitprojekt H2Mare. Die Transportfrage, ob die PtX-Produkte über Schiffe oder Pipeline an Land kommen, muss das Projekt noch erörtern. 

 

Wasserstoff und Derivate in der Schifffahrt 

Wie beschrieben, wird die Schifffahrt außerdem ein wichtiger Abnehmer von Wasserstoff und seinen Derivaten sein. In der europäischen Wasserstoffstrategie ist deren zunehmender Einsatz für den Schiffsverkehr ab 2030 vorgesehen.7 Die Frage, welche Kraftstoffe in Kombination mit welcher Technologie – Verbrennungsmotor oder Brennstoffzelle – Schweröle und Marine Diesel ablösen, lässt sich noch nicht beantworten. Einerseits eignen sich je nach Fahrgebiet, Schifftyp und Fahrprofil einige Lösungen technisch besser als andere. Andererseits befinden sich die Technologien in der Entwicklung und werden erst in Pilotprojekten erprobt. Beispielsweise wird bereits auf verschiedensten Schiffstypen – vom Schubboot bis zum Containerschiff – Methanol in Verbrennungsmotoren eingesetzt und in Brennstoffzellen erprobt. Demonstrationsprojekte mit Antriebssystemen auf Basis von Ammoniak laufen dagegen in naher Zukunft an.8 Wasserstoff in Druckform ist bereits auf kleinen Privat- und Arbeitsbooten im kommerzialisierten Einsatz, wohingegen der Einsatz von Flüssigwasserstoff, abgesehen von einzelnen Demonstrationsprojekten nicht sehr verbreitet ist.9 Welche Technologie sich am Ende durchsetzt, hängt auch von deren Wirtschaftlichkeit ab. 

Damit im Bereich grüner Wasserstoff die besten Lösungen zum Tragen kommen, setzen wir als Beratungsunternehmen cruh21 vor allem darauf, die jeweiligen Akteure miteinander zu vernetzen und in den Austausch zu bringen.  

Jimmie Langham ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens cruh21. Das Unternehmen berät Kunden im Bereich Grüner Wasserstoff und Sektorenkopplung. Zuvor war er Geschäftsführer des AquaVentus-Fördervereins. Aktuell ist er einer der drei Gesamtkoordinatoren im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Leitprojekt TransHyDE. cruh21 ist darüber hinaus im Wasserstoffleitprojekt H2Mare als Vernetzungspartner aktiv. Für seine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten wurde das Unternehmen kürzlich mit dem Siegel „Innovation durch Forschung“ im Auftrag des BMBF ausgezeichnet. 

 

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