Die diesjährige Ausgabe des Branchentags Erneuerbare Energien Mitteldeutschland in Dresden war in mehrfacher Hinsicht gut. Nur wenige Wochen nach der Bundestagswahl trafen sich Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, um über die künftige Ausrichtung der Energiewende in den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu diskutieren. Für cruh21 war Barbara Mai vor Ort und hat zentrale Impulse aus den Debatten mitgenommen.
Politische Standortbestimmung
Ein zentraler Tenor des Branchentags: Die Energiewende ist kein rein technisches oder ökonomisches Projekt – sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ministerpräsident Michael Kretschmer stellte in seiner Keynote klar, dass Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit weiterhin im Zentrum stehen müssen. Er forderte, die Energiewende „neu zu rechnen“ und stärker mit industrieller Wertschöpfung und sozialer Stabilität zu verknüpfen. Dabei plädierte er für Vertrauen in Technologieoffenheit und den Mut, wirtschaftliche Bremsen zu lösen.
Auch Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Energie in Sachsen-Anhalt, betonte die Rolle der ostdeutschen Bundesländer als Energie- und Speicherregion. Die potenzielle Nutzung von Kavernen für Wasserstoffspeicherung sei ein bedeutender Hebel für die künftige Systemstabilität.
Systemfragen: Netze, Märkte, Flexibilität
In den Fachforen standen konkrete Herausforderungen im Mittelpunkt: der schleppende Netzausbau, die künftige Ausgestaltung des Strommarktdesigns sowie die Integration von Flexibilitäten und Speicherlösungen. Besonders deutlich wurde: Ohne ein markt- und systemgerechtes Design drohen Investitionen zu stocken. Dr. Matthias Stark (BEE) und Josephine Steppat (Energy Brainpool) zeigten auf, welche Risiken und Chancen das vom BMWK diskutierte Optionenpapier birgt.
Im Forum zu Flexibilitäten wurde insbesondere deutlich, dass rechtliche Rahmenbedingungen für Speicherlösungen noch nicht ausgereift sind. Dr. Florian Valentin wies darauf hin, dass die aktuelle Gesetzgebung insbesondere Multi-Use-Konzepte behindert und es bis 2029 weiterhin Rechtsunsicherheiten bei Speicherentgelten geben könnte.
Gesellschaftliche Akzeptanz als Erfolgsfaktor
Ein Höhepunkt war der eindringliche Vortrag von Paulina Fröhlich (Das Progressive Zentrum). Sie machte deutlich, dass die sozial-ökologische Transformation nicht ohne eine lebendige Demokratie gelingen kann. In Zeiten von Nachrichtenvermeidung und politischer Fragmentierung brauche es neue Räume für Diskurs, Dialog und demokratische Resilienz. Eine klare Botschaft: Energiewende und Demokratie gehören zusammen – beides erfordert Beteiligung, Verantwortung und transparente Kommunikation.
Die Veranstaltung hat gezeigt: Die Energiewende ist in Mitteldeutschland angekommen – technisch, wirtschaftlich und politisch. Die Diskussionen in Dresden spiegelten den Ernst der Lage, aber auch die Entschlossenheit der Branche wider, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Für uns als cruh21 bleibt entscheidend: Die nächsten Monate werden richtungsweisend sein. Der neue Koalitionsvertrag auf Bundesebene muss klare Signale setzen – für Speicher, Netze, Marktdesign und regionale Wertschöpfung. Unsere Erfahrung zeigt: Die Lösungen sind da – sie müssen nun auch rechtlich und planerisch ermöglicht werden.