Der H2 Klartext zur Energiewende: Carbon Management im Recht?

Carbon Management, also das Abscheiden und Speichern (Carbon Capture and Storage – CCS) bzw. Weiternutzen (Carbon Capture and Utilisation – CCU) von klimaschädlichem CO2, gilt seit Veröffentlichung der Carbon Management Strategie der Bundesregierung als erforderlicher Baustein für eine klimaneutrale Industrie und damit als notwendig zum Erreichen der Klimaziele. In Deutschland war die kommerzielle CO2-Speicherung dabei bis vor Kurzem noch verboten. Nun soll durch grundlegende Änderungen im gesetzlichen Rahmen der Weg für den künftigen Einsatz von CCS und CCU (oder auch eine Kombination aus beiden Handlungsmöglichkeiten CCSU) bereitet werden.

 Carbon Management Strategie – Was steht drin und wer profitiert?

Deutschland hat im Bundes-Klimaschutzgesetz das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Nach dem Jahr 2050 sollen sogar negative Treibhausgasemissionen erreicht werden, d.h. dass der Atmosphäre dann insgesamt mehr Emissionen entzogen werden sollen als emittiert werden. Trotz aller Anstrengungen wird es aber selbst nach 2045 noch Emissionen geben, die nach Stand von Wissenschaft und Technik nicht durch die bislang verfügbaren oder sich in Entwicklung befindlichen Technologien vermieden werden können.

Am 26. Februar 2024 hatte die Bundesregierung Eckpunkte für eine Carbon Management Strategie (CMS)[1] vorgelegt, in der die künftigen Anwendungsgebiete von CCSU-Technologien priorisiert sowie die zur Realisierung erforderlichen gesetzliche Änderungen und Fördermöglichkeiten in Aussicht gestellt werden. Dabei wird klargestellt, dass der Hochlauf von CCSU-Technologien im Einklang mit den Treibhausgasminderungszielen des deutschen Klimaschutzgesetzes und dem Erreichen der Treibhausgasneutralität bis 2045 stehen muss, was die Vermeidung fossiler Lock-In Effekte (also das künstliche Aufrechterhalten fossiler Strukturen) sowie die Reduzierung bei Förderung und Transport anfallender Methanemissionen impliziert.

Die identifizierten und förderberechtigten Anwendungsgebiete sollen in erster Linie Industrien erfassen, deren Emissionen nicht vermeidbar sind, wie die Zement- und Kalkindustrie, Bereiche der Grundstoffchemie sowie die thermische Abfallverbrennung. Darüber hinaus sollen auch sonstige schwer vermeidbare Prozessemissionen erfasst werden, sofern die Umstellung auf Elektrifizierung oder Wasserstoff absehbar unwirtschaftlich ist.[2]

Aufgrund der hier bestehenden Fördermöglichkeit dürfte die Investition in CCSU-Technologien in den genannten Bereichen auch unternehmerisch interessant sein. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass im Rahmen des Europäischen Emissionshandels für solche Treibhausgasemissionen keine Abgabepflicht besteht, die abgeschieden und dauerhaft chemisch in einem Produkt gespeichert werden.[3] Auch hieraus ergibt sich für betroffene Unternehmen ein Anreiz, auf CCU umzusteigen.

Vorgesehene Änderungen im Rechtsrahmen

Die Abscheidung des CO₂ regelt vor allem das Bundesimmissionsschutzgesetz, den Transport und die Speicherung das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG). Gesetzliche Änderungen sind in Hinblick auf Transport und Speicherung von CO2 vorgesehen.[4] Die kommerzielle CO2-Speicherung war in Deutschland bislang faktisch verboten. Am 29.05.2024 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxidspeichergesetzes (KSpG) beschlossen. Allerdings muss der Entwurf noch das parlamentarische Verfahren durchlaufen, bevor die Gesetzesnovelle in Kraft treten kann. Mit der Novelle soll der rechtliche Rahmen für den Aufbau einer CO2-Pipelineinfrastruktur und die Offshore-Speicherung geschaffen werden. Durch die Gesetzesnovelle „soll die dauerhafte Speicherung von CO2 in unterirdischen Gesteinsschichten des Festlandsockels und der ausschließlichen Wirtschaftszone zu kommerziellen Zwecken im industriellen Maßstab ermöglicht werden.“[5] Außerdem soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass einzelne Länder die dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid auf ihrem Landesgebiet zulassen können.

Die größten Änderungen stehen im Bereich der Offshore-Speicherung an. Hier sind im Einzelnen folgende Regelungen vorgesehen:

  • Ermöglichung der Erkundung von Offshore-Speicherstätten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone bzw. dem Festlandsockel sowie deren Nutzung bei nachgewiesener Standorteignung, unter Berücksichtigung von Sicherheitsstandards und ökologischen Kriterien sowie raumordnerischen Festlegungen;  
  • Konkretisierung von Meeresumweltschutzvorschriften[6] und unbedingte Pflicht zur Durchführung einer UVP;
  • Ausschluss von CO2-Speicherung in Meeresschutzgebieten sowie in einer Pufferzone von acht km Breite ab äußerer Begrenzung;
  • Die Bundesregierung wird ermächtigt, Speicherung unterhalb von Meeresschutzgebieten zu regeln.

Um den Bau einer (privatwirtschaftlich zu errichtenden) Transportinfrastruktur zeitnah zu ermöglichen, soll des Weiteren ein einheitliches Zulassungsregime für Kohlendioxidleitungen sowie Instrumente zur Verfahrensbeschleunigung bei Neubau und Umwidmung bestehender Gasleitungen eingeführt werden. Dies unabhängig davon, ob die zu einem CO2-Speicher führen. Während der leitungsgebundene Transport zuvor auf Leitungen zu Kohlendioxidspeichern zum Zwecke der dauerhaften Speicherung im geologischen Untergrund begrenzt war, soll mit der vorliegenden Novelle auch der leitungsgebundene Transport zu anderen Zwecken ermöglicht werden. Als Beschleunigungsinstrumente sind u.a. verkürzte Behördenfristen und erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte vorgesehen. Für Emissionen aus der kohlebasierten Energieerzeugung (d.h. Kraft- und Heizwerke) soll der Zugang zu diesen Leitungen - und ebenso zu CO2-Speichern - ausgeschlossen werden.

Neben dem inländischen Transport soll schließlich auch der CO2-Export sowie dessen Speicherung im Ausland ermöglicht werden. Bislang verbietet Artikel 6 London Protokoll den Export von CO2, nicht jedoch dessen Speicherung im außerdeutschen Meeresuntergrund. Um diesen Widerspruch aufzuheben, haben sich die Vertragspartner, u.a. auch Deutschland, auf eine Änderung des Art. 6 geeinigt. Diese Änderung soll mit dem Entwurf eines CO2-Export-Ermöglichungsgesetzes in nationales Recht überführt werden.

Fazit

Mit den Eckpunkten für die CMS sowie den vorgesehenen Änderungen des Rechtsrahmens liegen die politischen Weichenstellungen für die Anwendung von CCS und CCU in Deutschland vor. Dabei ist längst noch nicht alles in trockenen Tüchern. Erst nach Beschlussfassung der Anpassung des KSpG ist mit Investitionsentscheidungen zum Bau erster CO2-Leitungen und Speicher in Deutschland zu rechnen. Ob die vorgesehenen Änderungen allerdings 1 : 1 beschlossen werden, ist unklar: Während aus der Wirtschaft überwiegend positives Feedback kam, wurde seitens der Umweltverbände im Rahmen des Konsultationsverfahrens massive Kritik geäußert.[7] Dabei wurde im Wesentlichen kritisiert, dass der Anwendungsbereich für CCS und CCU sowohl im Eckpunktepapier der CMS als auch im KSpG-Entwurf „weit über das notwendige Maß hinaus“ ausgedehnt würde. Um aber die mit der Technologie einhergehenden Risiken zu minimieren und die Fortsetzung fossiler Pfadabhängigkeiten zu vermeiden, müssten CCS und CCU auf Anwendungsbereiche beschränkt werden, in denen es keine Alternative z.B. durch Einsatz Erneuerbarer Energien oder die stoffliche Substitution durch Wasserstoff gibt.[8] Wie derartige berechtigte Einwände im sich anbahnenden parlamentarischen Verfahren berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten.

 

 

 

 

 

[1] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/E/240226-eckpunkte-cms.pdf?__blob=publicationFile&v=12

[2] Auch die CO2-Abscheidung aus Gaskraftwerken wird in der CMS als potenzielles Anwendungsgebiet benannt, soll aber keine Förderung erhalten.

[3] Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, ABl. 2003 L 275, 32, zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2023/959 vom 10. Mai 2023.

[4] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Gesetz/20240226-referentenentwurf-cms.pdf?__blob=publicationFile&v=10

[5] https://dserver.bundestag.de/btd/20/119/2011900.pdf

[6] Lärmintensive Aktivitäten wie das Errichten technischer Anlagen/Infrastrukturen sowie seismische Untersuchungen, z.B. für das Erkunden/Überwachen von CO2-Speichern, im Hauptkonzentrationsgebiet des Schweinswals in den Monaten Mai-August sind untersagt. Ebenso wird in der Kohärenzsicherungsfläche südlich des Naturschutzgebietes „Sylter Außenriff/Östliche Deutsche Bucht" die Injektion von CO2 ausgeschlossen.

[7] BMWK - Stellungnahmen zum Referentenentwurf eines Ersten Änderungsgesetzes zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz sowie Entwurf von Eckpunkten der Bundesregierung für eine Carbon Management-Strategie

[8] https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Energiewende/Gas/240321_DUH_Stellungnahme_CMS_und_KSpG_final.pdf

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