Carbon Management und die Relevanz für die Industrie

Executive Summary

Inmitten der drängenden Herausforderungen des Klimawandels rückt das Thema Carbon Management zunehmend in den Fokus. Dieser Bericht beleuchtet die dringende Notwendigkeit, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und zeigt auf, wie Carbon Management als fehlender Baustein.

Innovative Technologien zur Abscheidung von Kohlenstoffdioxid (CO2), effiziente Transportmethoden und die Speicherung von CO2 in geologischen Formationen stehen im Mittelpunkt der Diskussion. Darüber hinaus wird die Nutzung von CO2 als wertvoller Rohstoff für verschiedene Industrien thematisiert.

Insgesamt wird deutlich, dass Carbon Management ein vielschichtiger Ansatz für das Erreichen der ambitionierten Klimaschutzziele sein könnte. Gleichzeitig bestehen heute noch immense technische, wirtschaftliche und regulatorische Herausforderungen, denen durch kreative Lösungen und entschlossenes Handeln begegnet werden muss, um das der Technologie zugeschriebene Potenzial zu erreichen.

Klimapolitischer Hintergrund

Deutschland und Europa streben bis zur Mitte des Jahrhunderts Klimaneutralität an. Für Deutschland wurde dabei das Ziel definiert, ist zum Jahr 2045 nur noch so viele Treibhausgase (THG-Emissionen) in die Atmosphäre abzugeben, wie gleichzeitig CO2 aus der Atmosphäre in Senken gebunden wird. Für die Zeit nach 2045 sind sogar negative Netto-THG-Emissionen vorgesehen, wobei der Atmosphäre mehr CO2 entzogen werden soll, als sie freisetzt. Dies erfordert eine Betrachtung von Emissionen, die sich absehbar technisch nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand vermeiden lassen. [15]

Die jährlich abnehmende Anzahl an CO2-Zertifikaten ist insbesondere für industrielle Anlagen im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (EU ETS) ein zentraler Indikator für die Geschwindigkeit der Dekarbonisierung dar. Der kontinuierliche Rückgang der verfügbaren Zertifikate zwingt die Unternehmen zu einer schrittweisen Reduktion ihrer Emissionen. Unter der Annahme der Fortführung des derzeitigen regulatorischen Rahmens erfolgt die Einstellung der Ausgabe neuer CO2-Zertifikate um das Jahr 2040. In der Konsequenz werden ab diesem Zeitpunkt keine zusätzlichen Emissionsrechte mehr vergeben Anlagen innerhalb des EU ETS müssen daher bis zu diesem Zeitpunkt klimaneutral arbeiten. [17]

Abbildung 1: Minderungspfad des EU-Emissionshandels [17].

Was ist Carbon Management?

Unter dem Begriff "Carbon Management" werden Strategien und Maßnahmen zusammengefasst, die darauf abzielen, die Emission von CO2 zu reduzieren, zu nutzen oder zu speichern. Ziel ist es, den Ausstoß von Treibhausgasen zu minimieren und die klimapolitischen Ziele zu erreichen. Der Einsatz erfolgt in Sektoren, in denen CO2-Emissionen nur schwer oder gar nicht vermeidbar sind.  Dies betrifft beispielsweise die Zement- und Kalkproduktion, die thermische Abfallbehandlung oder Bereiche der Grundstoffchemie. Diese Sektoren wurden als "no-regret"-Sektoren identifiziert, da sie für die Erreichung der Klimaziele von entscheidender Bedeutung sind. In Zukunft ist eine Ausweitung der Carbon-Management-Strategie auf andere Industrien mit unvermeidbaren Prozessemissionen denkbar. [1]

Die EU-Strategie für industrielles Kohlenstoffmanagement umfasst den Einsatz einer Reihe von Technologien zur Abscheidung, Speicherung, zum Transport und zur Nutzung von CO2-Emissionen aus Industrieanlagen sowie zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre. Dabei werden drei Technologiepfade unterschieden:

  1. CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS): CO2-Emissionen fossilen, biogenen oder atmosphärischen Ursprungs werden für die möglichst geologische Speicherung abgetrennt.
  2. Abtrennung von CO2 zur Nutzung (CCU): Abgetrennte CO2-Emissionen werden zur Substitution von fossilem Kohlenstoff in synthetischen Produkten, Chemikalien oder Kraftstoffen verwendet.
  3. Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre (CDR): Biogenes oder atmosphärisches CO2 wird mit technischen Mitteln abgetrennt und dauerhaft gespeichert. [4]

Abbildung 2: Bilanzierung CCU und CCS [5].

Mit Blick auf die Bilanzierung von Emissionen, könnte CCS, je nach CO2-Quelle (fossil, biogen oder atmosphärisch), Emissionen reduzieren oder Negativ-Emissionen ermöglichen. Bei CCU hingegen variieren die Klimaauswirkungen, je nach CO2-Quelle und Verweildauer des hergestellten Produkts. (s. Abbildung 2) [5]

Der CDR-Ansatz versteht sich als die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre oder einer biogenen CO2-Quelle, die mit CSS oder ausgewählter CCU-Verfahren kombiniert wird, was insgesamt zu Negativ-Emissionen führen würde (s. Abbildung 2, grüne Felder).

Industrieanlagen weisen i. d. R. fossile CO2-Emissionen auf [5] und könnten daher mit CCS oder CCU eine CO2-Neutralität oder zumindest eine CO2-Reduzierung erreichen. Da Abfallverbrennungsanlagen sowohl fossile als auch biogene CO2-Emissionen aufweisen können [5], ergäben sich hier ergänzend ggf. sogar negative Emissionsmöglichkeiten für die biogenen CO2-Anteile.

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Technologiereifegrad der Kohlenstoffabscheidung im Bereich der industriellen Anwendung sowie bei Transport und Lagerung weit weniger ausgereift ist als in der Öl- und Gasindustrie, wo CCS bereits seit vielen Jahrzehnten Anwendung findet. Dies führt zu hohen Investitionskosten, die nur durch staatliche Förderung zu bewältigen sein werden.

Daneben besteht eine weitere Herausforderung darin, dass CO2-Emittierung sowie Speicherung oder Nutzung nicht am selben Ort stattfinden werden. Deshalb müsste erst noch eine CO2-Wertschöpfungskette entwickelt werden, bei der CO2 zunächst durch verschiedene Verfahren abgeschiedenen oder aus der Atmosphäre bzw. biogenen Quellen gewonnen werden kann. Anschließend müsste das CO2 über eine bislang nicht vorhandene Transportinfrastruktur (je nach Anwendungsfall) zum Ort der Speicherung oder Nutzung transportiert (s. Abbildung 3).

Abbildung 3: CO2-Kette [eigene Darstellung].

Erforderlich sind außerdem komplexe Interaktionen in der Wertschöpfungskette, die noch dadurch erschwert werden, dass es Abscheidungsanlagen an verschiedenen Standorten und in verschiedenen Industriesektoren mit je unterschiedlichen Kosten und TRL-Niveau geben wird. Die Schaffung von Geschäftsmodellen und Rechtsvorschriften zur Bewältigung dieser Wechselwirkungen stellt eine enorme Herausforderung dar und erhöht gleichzeitig das ohnehin schon hohe Risiko eines einzelnen Projekts.

Für wen ist Carbon Management von Bedeutung?

Der Verein Deutscher Zementwerke e. V. (VDZ) gibt an, dass in den drei Sektoren Zement, Kalk und Abfallverbrennung etwa 65 Mio.t pro Jahr an fossilem und biogenem CO2 verursacht werden. Trotz des Einsatzes verschiedener CO2-Minderungsmaßnahmen für technisch vermeidbare CO2-Emissionen und unter Berücksichtigung der Minderungspfade in den Sektoren, werden die unvermeidbaren CO2-Emissionen für das Jahr 2045 noch auf ca. 58 Mio.t CO2 Jahr pro geschätzt. [17]

Die vorliegende Studie des VDZ zeigt, dass in allen Regionen Deutschlands Quellen von CO2-Emissionen identifiziert werden können. Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sind dabei als besonders relevante Emittenten zu nennen. Für Deutschland wurden etwa zehn Cluster identifiziert, die jeweils CO2-Emissionen in einer Größenordnung von 2 bis 7 Mio. t CO2 pro Jahr aufweisen. Abbildung 4 veranschaulicht dafür die absoluten CO2-Mengen und die Verteilung der CO2-Dichte innerhalb Deutschlands. [17]

Die Zementindustrie in Deutschland ist für die Emission von ca. 20 Mio.t CO2 pro Jahr verantwortlich. Dies entspricht einem Anteil von rund 3 Prozent an den gesamten deutschen CO2-Emissionen. Die Herstellung einer Tonne Zement ist mit der Emission von etwa 600 Kilogramm CO2 verbunden, wovon 400 kg auf rohstoffbedingte und 200 kg auf energiebedingte Prozesse zurückzuführen sind. Folglich haben die rohstoffbedingten Prozessemissionen einen Anteil von etwa zwei Dritteln und die energiebedingten Brennstoffemissionen einen Anteil von etwa einem Drittel an den Gesamtemissionen. Die Prozessemissionen entstehen hauptsächlich bei der chemischen Umwandlung von Kalkstein in Zementklinker (Kalzinierung). Dieser Prozess findet im Drehofen statt, in dem der Kalkstein auf eine Temperatur von ca. 1.450 °C erhitzt wird. Im Verlauf dieser Erhitzung zerfällt der Kalkstein in Branntkalk und CO2, das gegenwärtig an die Atmosphäre abgegeben wird. [16]

Neben der Entwicklung neuer, CO2-effizienter Rohstoffe, welche den Klinkergehalt im Zement reduzieren sollen, sowie innovativer Herstellungsverfahren, die die thermische Effizienz erhöhen, stellt die Forschung an Carbon-Capture-Technologien einen wichtigen Punkt dar. Diese sollen die Abscheidung des während der Kalzinierung freigesetzten CO2 ermöglichen. [16]

Die Kalkindustrie ist eine bedeutende Grundstoffindustrie in Deutschland und für die Entstehung von Emissionen in Höhe von 7,5 Mio.t CO2 pro Jahr verantwortlich. Wie in der Zementherstellung sind  auch in der Kalkindustrie zwei Drittel der CO2-Emissionen rohstoffbedingt und somit nicht vermeidbar. Die Industrie steht vor ähnlichen Herausforderungen wie die Zementindustrie, da auch hier Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen erforderlich sind. Dazu zählt auch hier die Implementierung von CO2-Abscheidungstechnologien sowie die Nutzung alternativer Rohstoffe oder Brennstoffe. [2, 16]

Abbildung 4: Geografische Verteilung der CO2-Entstehung und Cluster (heute) [17].

In der Abfallindustrie werden die meisten CO2-Emissionen durch die Verbrennung von Abfällen in Abfallverbrennungsanlagen verursacht. Dabei werden sowohl organische als auch anorganische Stoffe verbrannt, wobei CO2 als Hauptprodukt der Verbrennung freigesetzt wird. Für die Abfallverbrennungsanlagen gibt der VDZ in seiner Studie [17] rund 36 Mio.t CO2 pro Jahr an, unter der Annahme, dass der biogene Anteil ca. 50 Prozent beträgt. Ab dem Jahr 2024 werden die Integration der fossilen Treibhausgasemissionen aus der Abfallverbrennung in den nationalen Emissionshandel einbezogen, so dass zukünftig eine Bepreisung dieser Emissionen erfolgt. Mit dem Auslaufen der Emissionsberechtigungen werden Carbon-Capture-Technologien daher auch in diesem Kontext eine wesentliche Rolle spielen. [14, 17]

Chemische Produkte sind wesentliche Bestandteile in verschiedensten Bereichen, von Düngemitteln in der Landwirtschaft bis zu Leichtbaumaterialien in der Automobilindustrie. Die Herstellung dieser Produkte beginnt häufig mit der energieintensiven Produktion einer kleinen Anzahl chemischer Grundstoffe, deren Folgeprodukte in verschiedenen Anwendungsbereichen eingesetzt werden. Die Produktion dieser Grundstoffe ist sowohl energie- als auch rohstoffintensiv und setzt jährlich etwa 37 Mio.t CO2 frei. Besonders hohe Emissionen entstehen bei der Herstellung der chemische Grundstoffe: Ethylen, Propylen sowie die Aromaten Benzol, Toluol und Xylol, Methanol, Ammoniak, Chlor und Industrieruß. Insgesamt sind ca. 18 Prozent der Emissionen in der Grundstoffchemie prozessbedingt. Wichtige Maßnahmen zur Vermeidung von CO2-Emissionen in diesem Bereich sind:

  • Umstellung der Wasserstofferzeugung auf Elektrolyseverfahren
  • Steigerung der Energie- und Materialeffizienz
  • Kreislaufführung von Kohlenstoff (z. B. chemisches Recycling, CCU)
  • die Elektrifizierung der Prozesswärmeerzeugung. [7]

Wie erfolgt eine CO2-Abscheidung?

Bei der CO2-Abscheidung existieren grundsätzlich drei übergeordnete Kategorien, die sich aus der Art der CO2-Quelle ergeben (fossil: FOCC, biogen: BECC, atmosphärisch: DACC).

Abbildung 5: CO2-Abscheidungs- bzw. Entnahmeverfahren für verschiedene CO2-Quellen [eigene Darstellung].

Für die Abscheidung von fossilem CO2 aus Industrieprozessen ist vor allem die Abscheidung des fossilen CO2 durch „Flue-gas Organic Carbon Capture“ (FOCC) von Interesse. Hierzu gehören diese zwei wesentlichen Methoden:

  1. Post-Combustion-Capture-Verfahren: Hierbei wird das CO2 nach der Verbrennung aus dem Abgasstrom einer Punktquelle (z. B. Zementwerk) entfernt. Dabei gibt es zwei Haupttechniken:
  • Aminwäsche: CO2 wird chemisch durch Amine in einer Waschlösung aufgenommen. Die gesättigte Lösung wird auf 100–140°C erhitzt, wodurch das CO2 wieder freigesetzt und abgeschieden wird.
  • Carbonate Looping: CO2 wird an ein festes Absorptionsmittel wie Kalziumoxid gebunden. Dieses trockene Absorptionsverfahren ermöglicht die Abscheidung des CO2, das anschließend für die Speicherung oder den Transport gereinigt und verdichtet wird. [18]
  1. Oxyfuel-Combustion-Capture-Verfahren: Hierbei werden kohlenwasserstoffbasierte Energieträger mit reinem Sauerstoff anstelle von Luft verbrannt. Das dabei entstehende Gasgemisch besteht nur aus CO2 (Gehalt: 80%) und Wasserdampf. Durch Kondensation des Wasserdampfs entsteht reines CO2.

da der Wasserdampf einfach auskondensiert und nur wenige gasförmige Begleitstoffe wie Stickstoff, Sauerstoff, Argon und Schwefeloxide zu entfernen sind. [18]

 

Bei der Direct Air Carbon Capture (DACC) ist eine Technologie, die darauf abzielt, CO2 direkt aus der Atmosphäre zu entfernen. Folgende Potenziale bietet DACC:

  1. CO2-Entfernung: DACC ermöglicht die aktive Entfernung von CO2, das sich bereits in der Atmosphäre befindet.
  2. Kompensation von Emissionen: DACC kann als Kompensationsmaßnahme für unvermeidbare Emissionen in Sektoren, wie z.B. der Luftfahrt oder bestimmten industriellen Prozessen dienen.. Unternehmen können DACC nutzen, um ihre Emissionen auszugleichen und ihre Klimabilanz zu verbessern.
  3. Erzeugung von CO2 für Produkte: Das aus der Luft abgeschiedene CO2 kann auch als Rohstoff für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen, Chemikalien oder anderen Produkten verwendet werden, was zur Schaffung einer zirkulären Kohlenstoffwirtschaft beiträgt. [14]

 

Wie kann CO2 transportiert werden?

Grundsätzlich könnte CO2 per Pipeline, LKW, Bahn oder Schiff transportiert werden. In Anbetracht der zu erwartenden CO2-Mengen ist ein Pipelinenetz von entscheidender Bedeutung. Es würde sich insbesondere für kontinuierliche Prozesse mit großen Mengen eignen. Im Rahmen der Studie "Anforderungen an eine CO2-Infrastruktur in Deutschland" wird eine Perspektive für ein deutschlandweites CO2-Netz aufgezeigt. Dabei werden angekündigten Projekte der Netzbetreibern sowie die ermittelten CO2-Emissionen und deren Verteilung berücksichtigt. [17]

Die übrigen Transportmittel würden sich vor allem für diskontinuierliche Transporte eignen. Insgesamt bringt jede Transportoption spezifische technische Anforderungen mit sich, unter Berücksichtigung der benötigten Infrastruktur sowie der CO2-Eigenschaften (Druck, Temperatur, Reinheit). Diese Parameter sind letztlich ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeit und Effizienz der jeweiligen Transportoption. [5, 17]

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nahezu alle Standorte der Zement- und Kalkindustrie sowie ein erheblicher Anteil der Abfallverbrennungsanlagen in einer Entfernung von ca. 50 km zu den identifizierten Leitungskorridoren liegen würden. Dies würde grundsätzlich die Möglichkeit eines Leitungsanschlusses ermöglichen. Einige Standorte der Zement- und Kalkindustrie verfügen über einen Gleisanschluss, dessen Nutzung unter der Voraussetzung der Errichtung weiterer zugehöriger Schienen- und Verladeinfrastrukturen, in einigen Fällen denkbar wäre. Die Nutzung der Binnenschifffahrt wird hingegen nur an einzelnen Standorten als Potenzial gesehen. Es sei jedoch angemerkt, dass alle Transportoptionen bei Standortbewertungen zu berücksichtigen sind. Dabei sind sämtliche Standortfaktoren sowie die CO2-Eigenschaften einzubeziehen. [17]

In den ersten Phasen der CO2-Exportprojekte wird der Transport per Seeschiff eine entscheidende Rolle spielen. Langfristig ist jedoch mit der Realisierung einer Offshore- CO2-Pipeline als Transportmedium zu rechnen. [17]

Abbildung 6: Ein CO2-Leitungsnetz für Deutschland [16].

Wie und wo kann CO2 genutzt werden?

Das abgeschiedene CO2 kann in weiteren Nutzungszyklen eingesetzt werden. Bei der Anwendung von CCU wird das CO2 in mindestens einen weiteren Nutzungszyklus integriert. Bei der Nutzung von CO2 im Rahmen von CCU gibt es verschiedene Hauptwege, die jeweils unterschiedliche Anwendungen und Technologien umfassen:

  • Direktnutzung: CO2 kann direkt in der Getränke- und Lebensmittelherstellung eingesetzt werden, beispielsweise zur Karbonisierung von Getränken oder Anwendung in Feuerlöschanlangen finden.
  • Mineralisation: CO2 kann zur Herstellung von Baustoffen aus Zement oder Carbonaten verwendet wird. Diese Methode bindet CO2 dauerhaft in festen Materialien und trägt somit zur Reduktion von CO2 in der Atmosphäre bei.
  • Biologische Umwandlung: CO2 kann biologisch umgewandelt werden, etwa durch biologische Methanisierung, bei der CO2 zusammen mit Wasserstoff in Methan umgewandelt wird. Weitere Beispiele sind die Algenzucht, bei der CO2 als Nährstoff für das Algenwachstum dient, und der Gartenbau in Treibhäusern, wo erhöhtes CO2 die Pflanzenproduktion steigert.
  • Chemische Umwandlung: Die chemische Umwandlung von CO2 umfasst die Herstellung von Grundchemikalien wie z. B. Harnstoff, Polymeren, Brennstoffen und anderen Chemikalien. Auch die Synthese von Endenergieträgern für den Einsatz in Verkehr, Industrie oder der Wärmeversorgung kann mit Hilfe des CO2 erfolgen (Power-to-Gas/Liquid/Solid). Diese Anwendungen sind besonders im industriellen Maßstab relevant, da sie große Mengen CO2 binden und in wertvolle Produkte umwandeln können.

Im industriellen Maßstab liegt der Schwerpunkt auf der Herstellung kohlenstoffhaltiger Chemikalien und Brennstoffe. [13, 14]

Bei der Abscheidung von fossilem CO2 mit Hilfe von CCU und anschließender Nutzung, wird das CO2, unabhängig von der Häufigkeit der Nutzung, immer wieder in die Atmosphäre freigesetzt (s. Abbildung 8). Die Emissionen werden also nur zeitlich verzögert und räumlich verlagert. Die Vermeidung fossiler THG-Emissionen und die Substitution fossiler Energieträger und Produkte stehen daher nach wie vor im Vordergrund eines wirksamen Klimaschutzes. Bei der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre, anschließender Nutzung und Emittierung wiederum in die Atmosphäre, entsteht ein geschlossener Nutzungskreislauf, sodass folglich keine zusätzlichen Emissionen verursacht werden (s. Abbildung 9). Voraussetzung dafür wäre, dass die gesamte Prozesskette an CCU-Maßnahmen ohne weitere THG-Emittierung erfolgt. Dieser Logik folgend würden auf atmosphärischem CO2 basierende Brenn-, Kraft- und Chemierohstoffe in den Bereichen Verkehr, Wärme und Industrie zu keinen THG-relevanten Emissionen führen. [13]

Auch in einem treibhausgasneutralen Wirtschaftssystem werden langfristig Kohlenwasserstoffe für den Luft- und Seeverkehr sowie die chemische Industrie benötigt. Das Recycling kohlenstoffhaltiger Produkte kann nur einen Teil des Bedarfs decken, so dass nachhaltige CCU-Maßnahmen erforderlich sind, um zusätzlichen Kohlenstoff als Rohstoff zu gewinnen. Ein erheblicher Teil dieses Kohlenstoffs muss aus der Atmosphäre stammen. Technologien zur atmosphärischen Kohlenstoffgewinnung  müssen daher bereits heute gefördert werden, um ihre zukünftige Verfügbarkeit und großtechnische Anwendung sicherzustellen. [13]

Abbildung 7: Schematische Darstellung zur Nutzung atmosphärischer Kohlenstoffquellen für CCU [15].
Abbildung 8: Schematische Darstellung zur Nutzung fossiler Kohlenstoffquellen für CCU [15].

Wie und wo kann CO2 gespeichert werden?

Der Grundgedanke der unterirdischen Speicherung von CO2 besteht darin, natürliche Gesteinsformationen als Reservoir zu nutzen, in die das CO2 eingespeist und über lange Zeiträume – von Tausenden bis Millionen von Jahren – eingeschlossen werden kann.

Der Prozess basiert auf der Injektion von CO2 in poröses Gestein, das die Eigenschaften eines Schwamms aufweist. Das Gestein liegt in der Regel in großer Tiefe und wird von undurchlässigen Schichten überlagert. Diese sollen im Idealfall gewährleisten, Diese Reservoirs können sich sowohl an Land als auch unter dem Meeresboden befinden.

Für die Einspeicherung ist es von entscheidender Bedeutung, dass geeignete geologische Formationen identifiziert werden, die eine sichere und langfristige Speicherung gewährleisten können. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:

  • Poröse Gesteinsformationen: Ideale Speichersysteme zeichnen sich durch Gesteinsschichten mit einer hohen Porosität aus, wodurch eine effiziente Aufnahme und Speicherung von CO2 gewährleistet wird. Eine Verbindung der Porenräume ist erforderlich, um die Durchlässigkeit zu gewährleisten und eine gleichmäßige Verteilung des Gases im Reservoir zu ermöglichen.
  • Undurchlässiges Deckgestein: Undurchlässige Schichten sollen den Aufstieg des CO2 in Richtung Oberfläche und damit ein Entweichen des CO2
  • Tiefe des Reservoirs: Reservoirs müssen eine Mindesthöhe aufweisen. In der Regel sind dabei eine Tiefe von mehr als 800 Metern erforderlich. In diesen Bereichen herrschen optimale Temperatur- und Druckbedingungen, um das CO2 in einen dichteren, stabilen Zustand zu überführen.
  • Mechanische Integrität: Das geologische System muss stabil und frei von größeren Störungen oder Rissen sein, um ein Austreten des CO2 zu verhindern. Jede Instabilität im Gestein birgt das Risiko einer Gefährdung des Speichersystems.

Die vielversprechendsten Standorte für die Speicherung großer Mengen von CO2 sind sogenannte saline Aquifere. Es handelt sich um tief liegende Gesteinsformationen, die mit salzhaltigem Wasser gefüllt sind, das nicht als Trinkwasser nutzbar ist. Auch erschöpfte Öl- und Gasfelder, die aufgrund ihres stabilen Deckgesteins bereits bewiesen haben, dass sie Flüssigkeiten und Gase über lange Zeiträume einschließen können, sind mögliche Speicheroptionen. [8, 12]

Europa verfügt über bedeutende geologische Ressourcen zur Speicherung von CO2. Laut dem EU-Bericht "Geological CO2 Storage Summary" beträgt die Gesamtspeicherkapazität potenzieller geologischer Einheiten in Europa etwa 482 Gigatonnen. Die geologischen Speicherressourcen sind allerdings ungleichmäßig über die europäischen Länder verteilt, sodass nicht alle Länder ihr CO2 innerhalb ihrer eigenen Grenzen speichern können. Daher ist eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit notwendig. Einige Länder werden, je nach ihren geologischen Ressourcen, CO2 aus anderen Ländern speichern müssen.  

Obwohl die Speicherung von CO2 verschiedene Vorteile bietet, ist sie mit einigen Risiken verbunden, insbesondere technischer, ökologischer und ökonomischer Art. Ein zentrales Problem stellen potenzielle Leckagen dar, bei denen gespeichertes Dies würde sowohl die Umwelt und den Klimaschutz gefährden. Zudem besteht die Gefahr, dass das injizierte CO2 das Grundwasser durch das Auslösen chemischer Reaktionen verunreinigt oder durch CO2-Injektionen 2 Erdbeben verursacht werden. [3]

Ergänzend birgt das CCS das Risiko, dass es zu einer Art "Lock-in" in fossilen Infrastrukturen kommt, was den Übergang zu erneuerbaren Energien verlangsamen könnte, da fossile Brennstoffe weiterhin attraktiv bleiben. Auch, wenn die Risiken nicht gänzlich auszuschließen sind, erachten Experten die CCS-Technologie für unverzichtbar, um die CO2-Emissionen in schwer zu dekarbonisierenden Industrien zu reduzieren. Im Vergleich zu den Risiken der Klimaerwärmung überwiegen die Potenziale der CCS-Technologie und die mit der Technologie einhergehenden Risiken als vernachlässigbar eingestuft. [6, 11]

Abbildung 9: Lage der Speicherbereiche und der zugehörigen Kapazitäten in Europa [12].

Fazit und Ausblick

Carbon Management spielt eine entscheidende Rolle für die Erreichung der Klimaziele . Angesichts der Notwendigkeit, auch schwer oder nicht vermeidbare Emissionen zu reduzieren, sind CCS und CCU unverzichtbare Instrumente zur Dekarbonisierung der Industrie und zur Unterstützung der nationalen Klimaschutzstrategie. Insbesondere Industrien mit schwer oder nicht vermeidbaren Emissionen wie die Zement- und Kalkindustrie sowie die Abfallverwertung, für die auch absehbar keine alternativen Technologien zur Emissionsminderung zur Verfügung stehen, werden daher zukünftig auf diese Technologien angewiesen sein. Gleichzeitig gibt es heute noch eine Reihe von Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, um das Potenzial der Technologie zu entfalten.

Technische Herausforderungen:

  • Effizienz und Skalierbarkeit: Entwicklung effizienter und skalierbarer Technologien für CO2-Abscheidung, -Transport und -Speicherung bzw. -Nutzung ist komplex und teuer
  • Infrastruktur: Notwendigkeit zum Aufbau einer umfassenden Infrastruktur für den Transport und die Speicherung von CO2, inkl. Pipelines und geeigneter Speicherstätten
  • Langlebigkeit der Speicherstätten: Sicherstellung einer langfristigen CO2-Speicherung in geologischen Formationen ohne Leckagen

Wirtschaftliche Herausforderungen:

  • Kosten: Vorhandensein hoher Investitions- und Betriebskosten für CCS- und CCU-Technologien, die oftmals ohne staatliche Förderung oder Anreize nicht wirtschaftlich sind
  • Marktnachfrage: Schaffung von Märkten und Nachfrage für Produkte aus CCU-Prozessen, um wirtschaftlich tragfähig zu sein

Politische Herausforderungen:

  • Rechtlicher Rahmen: Entwicklung eines unterstützenden rechtlichen Rahmens zur Ermöglichung von Carbon Management Projekten
  • Förderung und Anreize: Bereitstellung finanzieller Anreize, wie z.B. Subventionen, Steuererleichterungen oder Emissionszertifikate, um CCS und CCU voranzutreiben

Gesellschaftliche Herausforderungen:

  • Akzeptanz: Gewinnung öffentlicher Akzeptanz für CCS und CCU, insbesondere in Bezug auf Sicherheitsbedenken bei der CO2-Speicherung und die Auswirkungen auf die Umwelt
  • Transparenz und Information: Sicherstellung, dass die Öffentlichkeit umfassend und transparent über die Vorteile und Risiken von CCS und CCU informiert wird

Umweltbezogene Herausforderungen:

  • Energieverbrauch: Verbrauch zusätzlicher Energie durch CCS und CCU kann Gesamtenergiebedarf erhöhen und möglicherweise die Emissionen verschieben
  • Ressourceneinsatz: Einsatz von Ressourcen und potenzielle Umweltbelastungen durch den Bau und Betrieb der notwendigen Infrastruktur

Die Bereitstellung von Fördermöglichkeiten sowie die Entwicklung eines rechtlichen Rahmens werden dabei wesentliche Maßnahmen sein, um einen Markthochlauf von CCS und CCU zu ermöglichen. In zwei Folgeartikeln mit den Schwerpunkten „Förderung“ und „Regulatorik“ wird cruh21 vertiefende Einblicke geben.

References

[1]       Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. 2024. FAQ zu CCS und CCU. Häufig gestellte Fragen zu CO₂-Abscheidung und -Speicherung sowie anschließende Nutzung von Kohlenstoff.

[2]       Bundesverband der Deutschen Kalkindustrie e. V. 2020. Roadmap Kalkindustrie 2050: Über die klimaneutrale Produktion zur klimapositiven Industrie.

[3]       Cames, M., Mader, C., Köhler, A. R., Malinverno, N., Möller, M., Niesen, B., Som, C., and Wäger, P. 2023. Chancen und Risiken von Methoden zur Entnahme und Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre. Empfehlungen aufgrund der Analyse des Wissenstandes und einer systematischen Befragung von Fachleuten in der Schweiz. TA-Swiss 80. vdf, Zürich.

[4]       European Commission. 2024. European Commission - Questions and answers. Questions and Answers on the EU Industrial Carbon Management Strategy.

[5]       Hader-Weinmann, P. and Deutsche Energie-Agentur GmbH. 2024. Einführung Carbon Management. Zukunft Gas Webinar, 23.05.2024.

[6]       Klein, M. 2023. CO2-Speicherung: Chancen und Risiken von CCS | Die Debatte. https://​www.die-debatte.org​/​co2speicherung-chance-risiko/​. Accessed 9 October 2024.

[7]       Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien. 2024. Grundstoffchemische Industrie | Auf dem Weg zur klimaneutralen Industrie. Produktion chemischer Grundstoffe mit hohen Treibhausgasemissionen. https://​www.klimaschutz-industrie.de​/​themen/​branchen/​grundstoffchemische-industrie/​. Accessed 10 October 2024.

[8]       Ma, J., Li, L., Wang, H., Du, Y., Ma, J., Zhang, X., and Wang, Z. 2022. Carbon capture and storage: history and the road ahead. Engineering 14, 33–43.

[9]       Pflanzenforschung.de. 2023. BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage-Technologien). https://​www.pflanzenforschung.de​/​de/​pflanzenwissen/​lexikon-a-z/​beccs-bioenergy-carbon-capture-and-storage-technologien. Accessed 10 October 2024.

[10]    Reid, A. IEEFA Carbon capture and storage-Europe's climate gamble.

[11]    Schenuit, F., Böttcher, M., and Geden, O. 2023. "Carbon Management": Chancen und Risiken für ambitionierte Klimapolitik. DOI=10.18449/2023A30.

[12]    Subraveti, S. G., Rodríguez Angel, E., Ramírez, A., and Roussanaly, S. 2023. Is Carbon Capture and Storage (CCS) Really So Expensive? An Analysis of Cascading Costs and CO2 Emissions Reduction of Industrial CCS Implementation on the Construction of a Bridge. Environmental Science & Technology 57, 6, 2595–2601.

[13]    Umweltbundesamt. 2021. Carbon Capture and Utilization (CCU). https://​www.umweltbundesamt.de​/​themen/​klima-energie/​klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/​carbon-capture-utilization-ccu. Accessed 11 October 2024.

[14]    Umweltbundesamt. 2024. Nutzungsmöglichkeiten und Potenziale bei Abfallbehandlungsanlagen zur Sektorenkopplung, Energiebereitstellung und CO₂-Abscheidung.

[15]    Umweltbundesamt. 2024. Treibhausgasminderungsziele Deutschlands. https://​www.umweltbundesamt.de​/​daten/​klima/​treibhausgasminderungsziele-deutschlands. Accessed 15 October 2024.

[16]    Verein Deutscher Zementwerke e.V. 2020. Dekarbonisierung von Zement und Beton – Minderungspfade und Handlungsstrategien. Eine CO2 - Roadmap für die deutsche Zementindustrie.

[17]    Verein Deutscher Zementwerke e.V. 2024. Anforderungen an eine CO2 - Infrastruktur in Deutschland. Voraussetzungen für Klimaneutralität in den Sektoren Zement, Kalk und Abfallverbrennung.

[18]    Zukunft Gas GmbH. 2024. CO2-Abscheidung. https://​gas.info​/​carbon-management/​co2-abscheidung?gad_source=1&gclid=Cj0KCQjw05i4BhDiARIsAB_2wfDqUuaHw6eT_0EYAZZBIs-kFzcVHchNwf1bfD8Jm2FhtNdPJBYsDwAaAkQNEALw_wcB. Accessed 9 October 2024.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Minderungspfad des EU-Emissionshandels [15]. 4

Abbildung 2: Bilanzierung CCU und CCS [5]. 5

Abbildung 3: CO2-Kette [eigene Darstellung]. 5

Abbildung 4: Geografische Verteilung der CO2-Entstehung und Cluster (heute) [15]. 6

Abbildung 5: CO2-Abscheidungs- bzw. Entnahmeverfahren für verschiedene CO2-Quellen [eigene Darstellung]. 7

Abbildung 6: Ein CO2-Leitungsnetz für Deutschland [16]. 9

Abbildung 9: Schematische Darstellung zur Nutzung atmosphärischer Kohlenstoffquellen für CCU [15]. 10

Abbildung 8: Schematische Darstellung zur Nutzung fossiler Kohlenstoffquellen für CCU [15]. 10

Abbildung 7: Lage der Speicherbereiche und der zugehörigen Kapazitäten in Europa [12]. 11

 

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