5vor12: Klimaschutzverträge – vertrackt und vertagt? Wie funktionieren sie und wie steht es um das Förderinstrument zur Transformation der Industrie?

So sieht es die im Juni vom BMWK veröffentlichte „Förderrichtlinie Klimaschutzverträge“ (FRL KSV) vor. In sog. Klimaschutzverträgen („carbon contracts for differences“, ccfd) verpflichtet sich der Staat gegenüber einem Unternehmen zum Ausgleich der Mehrkosten, die dem Unternehmen durch Errichtung (CAPEX) und Betrieb (OPEX) von klimafreundlicheren Anlagen im Vergleich zu herkömmlichen entstehen. Der Förderzeitraum beträgt 15 Jahre. Das Ziel ist es, den Umstieg auf klimafreundliche Industrieprozesse zu ermöglichen. Die Förderung wird ausgeschrieben, um die Dekarbonisierung der Industrie voranzutreiben. Unterstützt werden sollen dabei lediglich die effizientesten Projekte.

Bislang konnte allerdings noch kein Gebotsverfahren durchgeführt werden, da die EU-Kommission das Förderinstrument erst noch genehmigen muss. Von einer Genehmigung ist allerdings auszugehen, da ähnlich Programme in anderen Mitgliedstaaten bereits zugelassen worden sind. Was müssen Industrieunternehmen zum Förderinstrument wissen? Wann beginnen die ersten Gebotsverfahren? Und welche Auswirkungen hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 zum Klima- und Transformationsfond (KTF) auf die Fördersumme? Lesen Sie die Antworten auf diese und andere Fragen im Text.

  1. Inwiefern steigern Klimaschutzverträge die Bereitschaft von Unternehmen, auf grüne Energieträger, wie beispielsweise grünen Wasserstoff umzusteigen?

Cäcilia Gätsch: Klimafreundliche Industrieprozesse sind heute noch nicht rentabel. Dabei besteht gerade für die energieintensive Industrie als einer der größten Treibhausgas-Emittenten aufgrund der steigenden CO2-Bepreisung und sich verknappender Emissionsberechtigungen im Europäischen Emissionshandel die Notwendigkeit, auf klimafreundliche Energieträger umzusteigen. Um die fehlende Rentabilität auszugleichen und damit den erforderlichen Umstieg zu ermöglichen, bedarf es in der Anfangszeit einer finanziellen Unterstützung durch den Staat. Hier setzen die Klimaschutzverträge an. Sie gewährleisten finanzielle Sicherheit beim Umstieg auf klimafreundlichere Anlagen, in denen statt Erdgas beispielsweise grüner Wasserstoff zum Einsatz kommt, indem sie die dadurch entstehenden Mehrkosten ausgleichen. Die Fördersumme wird jährlich an den CO2-Preis angepasst, um nur die tatsächliche Differenz auszugleichen. Das steigert die Planungssicherheit für Unternehmen. Das Investitionsrisiko wird kalkulierbar und die Bereitschaft zum Umstieg erhöht. Klimaschutzverträge setzen also für Industrieunternehmen einen sichereren Investitionsrahmen, der grüne Transformationsprozesse in Deutschland anstößt und zugleich Unternehmensabwanderung verhindert.

  1. Welche Unternehmen sind antragsberechtigt?

Cäcilia Gätsch: Um sich auf einen Klimaschutzvertrag bewerben zu können, muss das Unternehmen einer Branche angehören, die vom Europäischen Emissionshandel umfasst ist. Das ist beispielsweise die chemische Industrie. Außerdem ist für die Antragstellung erforderlich, dass im aktuellen fossil-basierten Produktionssystem mindestens 10 Kilotonnen (kt) CO2-Äquivalent im Jahr emittiert werden, wobei die relative Treibhausgasminderung gegenüber dem Referenzsystem (also der Ausgangsemission) spätestens ab dem dritten Jahr nach operativem Beginn des Vorhabens (sei es Inbetriebnahme, sei es Aufnahme eines geänderten Betriebs) mindestens 60% betragen muss. Um das 10 kt-Kriterium zu erreichen, können sich auch mehrere Unternehmen zu einem Bieter-Konsortium zusammenschließen. Ausgeschlossen von der Antragstellung sind u.a. kleine Projekte mit einem über 15 Jahre gerechneten Förderbedarf von weniger als 15 Millionen Euro.

  1. Wie erhalte ich als Unternehmen einen Klimaschutzvertrag?

Cäcilia Gätsch: Antragsberechtigte Unternehmen, die sich auf einen Klimaschutzvertrag bewerben wollen, müssen zunächst an einem sog. Vorverfahren teilnehmen. Die Teilnahme am Vorverfahren ist zwingende Voraussetzung für die Teilnahme am Gebotsverfahren und dient dazu, das zu fördernde Projekt „greifbarer“ zu machen und einen gewissen Reifegrad darzulegen. Unternehmen sind etwa aufgefordert, allgemeine Informationen zum Vorhaben zu geben und den erwarteten Förderbedarf abzuschätzen. Die angegebenen Informationen werden streng vertraulich behandelt. Für die erste Förderrunde ist eine Teilnahme am Vorverfahren nicht mehr möglich.  Allerdings soll schon Anfang 2024 die nächste Runde starten. Der Klimaschutzvertrag wird dann im sich anschließenden Gebotsverfahren vergeben.

  1. Wann kann mit dem ersten Gebotsverfahren gerechnet werden und wie genau hängt das Vorverfahren damit zusammen?

Benita Stalmann: Das erste Gebotsverfahren war vom BMWK ursprünglich schon für das vierte Quartal dieses Jahres geplant, jeweils zwei weitere sollen in den nächsten zwei Jahren kommen. Pro Runde sollen im Schnitt 15 industrielle Projekte mit jeweils rund 50 Mio. Euro gefördert werden. Das BMWK beabsichtigt, in den nächsten Jahren Förderverträge im insgesamt mittleren zweistelligen Milliardenbereich abzuschließen. Da es sich bei den Klimaschutzverträgen nach EU-Wettbewerbsregeln allerdings um genehmigungspflichtige Beihilfen handelt, muss die EU-Kommission das Förderinstrument erst noch genehmigen. Das steht bisher noch aus.
Das zweimonatige Vorverfahren lief bis Anfang August dieses Jahres. Hierbei konnten antragswillige Unternehmen Informationen zu ihren geplanten Projekten einreichen. Auf Basis dieser Informationen wählt das BMWK zum einen die Teilnehmer zum ersten Gebotsverfahren aus – hierbei handelt es sich nach eigener Auskunft um eine zuwendungsrechtlich zulässige Ermessensausübung des BMWK – und bestimmt zum anderen die genaue Ausgestaltung des Gebotsverfahrens. Hintergrund ist, dass ein einheitliches Gebotsverfahren, in welchem Projekte mit verschiedenen Industrieanlagen aus unterschiedlichen Branchen gegeneinander um die Förderung konkurrieren, bisher nicht üblich war und das Ministerium daher erst auf Grundlage der eingereichten Informationen eine sinnvolle Ausgestaltung des Gebotsverfahrens ableiten will. Ob für die weiteren, geplanten Gebotsverfahren jeweils auch Vorverfahren durchgeführt werden sollen, behält sich das BMWK vor.

  1. Wie genau läuft das Gebotsverfahren ab?

Cäcilia Gätsch: Das Gebotsverfahren beginnt mit dem Förderaufruf durch eine vom BMWK noch zu benennende administrierende Stelle, der Informationen zu Verfahren, Frist und Fördervolumen enthält. Auf diesen Förderaufruf können Unternehmen, die erfolgreich am Vorverfahren teilgenommen haben, mit einem Gebotspreis bieten. Hierbei handelt es sich um den Preis, den die bietenden Unternehmen jeweils zur Abdeckung ihrer Mehrkosten für das im Vorverfahren beschriebene Projekt veranschlagen. Davon werden noch anderweitig erhaltene Förderungen abgezogen.

Die Bewertung der Gebote erfolgt zu 80% anhand der Förderkosteneffizienz, wobei das günstigste Projekt die höchste Punktzahl erhält. Weiteres Gewichtungskriterium ist zu 20% die relative Treibhausgasminderung in den ersten fünf Jahren nach operativem Beginn des Vorhabens. Die relative Treibhausgasemissionsminderung errechnet sich als Summe der geplanten Treibhausgasemissionen des Vorhabens dividiert durch die Treibhausgasemissionen des Referenzsystems für die geplante Produktionsmenge. Anhand dieser Daten wird ein Ranking der Projekte erstellt.

Diejenigen Projekte, deren Fördersummen entlang des Rankings zusammengerechnet das ausgeschriebene Fördervolumen nicht übersteigen, erhalten den Zuschlag, also das Recht zum Abschluss eines Klimaschutzvertrags.

  1. Wie genau funktioniert die Förderung?

Cäcilia Gätsch: Das Besondere an Klimaschutzverträgen besteht darin, dass die jährlich ausgezahlte Fördersumme nicht statisch ist, sondern sich an äußeren Faktoren orientiert, wie dem CO2-Preis und dem sich über die Jahre verändernden Energieträgerpreis. Die Klimaschutzverträge funktionieren also in zwei Richtungen. Solange die neue, grüne Produktion teurer ist als die konventionelle, fließt Geld vom Staat an das Unternehmen. Sobald die klimafreundliche Produktion aufgrund des steigenden CO2-Preises günstiger ist als die konventionelle, kehrt sich die Zahlungsverpflichtung um: Dann zahlen die geförderten Unternehmen ihre Mehreinnahmen an den Staat. Der Klimaschutzvertrag kann aber aufgehoben werden, wenn sich die geförderte Technologie am Markt durchgesetzt hat, um den Anreiz zum Umstieg zu steigern. Durch die Anpassung an die reale Marktsituation wird eine möglichst effiziente Förderung gewährleistet.

  1. Welchen Einfluss hat das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches die Umwidmung nicht genutzter Kreditermächtigungen zur Bekämpfung der Coronakrise zur Verwendung im Klima- und Transformationsfonds (KTF) untersagte?

Benita Stalmann: Durch das Urteil stehen der Bundesregierung im KTF erst einmal rund 60 Mrd. Euro weniger zur Verfügung als sie es geplant hatte. Aus diesem Fonds sollten u.a. auch die Klimaschutzverträge für die energieintensive Industrie finanziert werden. Finanzminister Christian Lindner hat letzte Woche bereits angekündigt, für das nächste Jahr einen neuen Wirtschaftsplan für den KTF aufzustellen. Nur schon bereits zugesagte Verpflichtungen aus dem KTF, wie etwa die Übernahme der EEG-Umlage und die Förderung der Gebäudesanierung, könne man zunächst einhalten. Nach Äußerungen des Wirtschaftsministers Robert Habeck einen Tag nach dem Urteil trifft die Gerichtsentscheidung in erster Linie geplante Finanzierungsmaßnahmen für die Transformation der Industrie. Aus seinen Äußerungen wurde dabei der klare Wille erkennbar, die nötigen Fördersummen zur Unterstützung des industriellen Transformationsprozesses wenn nötig auf andere Weise bereitzustellen. Die Diskussion um geeignete Lösungen ist hierzu bereits in vollem Gange. Die Vorschläge reichen von der rechtlichen Verselbstständigung des KTF mit eigener Verschuldungsmöglichkeit, über einen befristeten Klimasolidaritätszuschlag oder eine Anpassung des CO2-Preises bis hin zu einer Reform der Schuldenbremse. Welcher Vorschlag sich am Ende durchsetzt, wird sich zeigen.

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