Der H2 Klartext: "H2-Kernnetz – Wer bezahlt’s?"

Warum brauchen wir ein H2-Kernnetz?

Das H2-Kernnetz ist Grundvoraussetzung für den entstehenden grünen Wasserstoffmarkt und damit letztlich entscheidend für den Erfolg der Energiewende. Denn ohne eine gut ausgebaute Transportinfrastruktur wird es nicht gelingen, den überwiegend im Norden Deutschlands produzierten Wasserstoff (1) in die Verbrauchsregionen zu transportieren. Ziel des Kernnetzes ist es, deutschlandweit Verbrauchs- und Erzeugungs- bzw. Importregionen miteinander zu verbinden.(2) Dazu haben die Fernleitungsnetzbetreiber (FNBs) erstmals am 15.11.2023 einen Entwurf für ein Wasserstoffkernnetz vorgelegt.(3) Nach erfolgter beihilferechtlicher Genehmigung (4) soll dieser nun der BNetzA zur Genehmigung vorgelegt werden. Antragsfrist ist der 21.07.2024. Der aktuelle Planungsentwurf sieht eine Netzlänge von 9.700 km vor, die zu 60 % aus umzustellenden Gasleitungen und zu 40 % aus neu zu bauenden Wasserstoffleitungen bestehen wird. Der Investitionsbedarf beläuft sich auf knapp 20 Milliarden Euro.(5)

Finanzierungsproblematik

Die Finanzierung war dabei lange Zeit unklar. Denn anders als bei Strom- und Gasnetzen, die sich vollständig über Entgelte der Nutzer finanzieren lassen, besteht beim H2-Kernnetz die Besonderheit, dass es in der Anfangszeit nur sehr wenige Endnutzer von grünem Wasserstoff geben wird. Folge: Bei einer reduzierten Zahl an Endnutzern ist auch die Zahl der zahlenden Anschlussnehmer gering. Das Netzentgelt würde also auf nur wenigen Schultern verteilt, was wiederum zu prohibitiv hohen Entgelten für die wenigen Anschlussnehmer führen würde. Dies würde die Nutzer davon abhalten, sich an das Kernnetz anzuschließen, sodass der Aufbau nur durch Vorleistung der heutigen FNBs und späteren H2-Kernnetzbetreiber zu bewältigen wäre. Hiergegen hatten sich die Netzbetreiber aufgrund des bestehenden Ausfallrisikos allerdings frühzeitig ausgesprochen.(6) Für sie sei nicht absehbar, wie sich die Zahl der Anschlussnehmer und damit der Entgelterlös über die Zeit entwickeln würde, was zu Unklarheiten bei der Amortisation getätigter Investitionen führen würde.

Lösung: Gedeckelte Netzentgelte und Amortisationskonto

Um dem Dilemma fehlender Investitionsbereitschaft entgegenzuwirken, hat sich der Gesetzgeber für die Einführung eines gedeckelten H2-Netzentgelts in Kombination mit einem Amortisationskonto entschieden, auf dem die anfänglichen Erlösverluste zugunsten der Netzbetreiber ausgeglichen werden. Die zentralen Regelungen hierzu bilden §§ 28r und 28s EnWG. Sie sind Teil einer weiteren Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), die im April 2024 in Kraft getreten ist. (7)

In § 28r EnWG wird die BNetzA zur Festlegung eines marktfähigen Hochlaufentgelts ermächtigt. Die genaue Höhe des Entgelts ist aktuell noch unbekannt und soll auf Basis tragfähiger Prognosen ermittelt werden. Das Entgelt soll ab dem 01.01.2025 an allen Ein- und Ausspeisepunkten des H2-Kernnetzes erhoben werden. Ab 2028 erfolgt eine dreijährliche Evaluierung durch die BNetzA.

Die durch das gedeckelte Netzentgelt entstehende Kostenlücke bei der Finanzierung des H2-Kernnetzes soll über ein in § 28r EnWG näher geregeltes Amortisationskonto ausgeglichen werden. Auf diesem werden die jährlichen Differenzbeträge zwischen Netzentgelterlösen und den Finanzierungskosten für das Kernnetz verbucht und zugunsten der jeweiligen Netzbetreiber ausgeglichen. Auf diese Weise wird ein Anreiz für die FNBs geschaffen, Investitionen in den Aufbau des Kernnetzes zu tätigen. In einer späteren Phase, wenn sich die Zahl der Netznutzenden und damit auch der Erlös aus den Entgelten erhöht, soll das Amortisationskonto nach und nach, spätestens aber bis 2055 durch Rückzahlungen der Netzbetreiber ausgeglichen werden. Sollte es bis dahin immer noch einen Fehlbetrag geben, so wird dieser zu 76 % vom Bund und zu 24 % von den Fernleitungsnetzbetreibern getragen.

Kündigungsrecht des Bundes

Sollte der Wasserstoffhochlauf absehbar scheitern, ist der Bund nach § 28r Abs. 7 EnWG berechtigt, das Finanzierungsmodell durch Kündigung des Amortisationskontos zum 31.12. eines Kalenderjahres, erstmals zum 31.12.2038, mit Wirkung zum Ablauf des jeweiligen Folgejahres zu beenden. Von einem absehbaren Scheitern ist auszugehen, wenn ein vom Bund beauftragtes wissenschaftliches Gutachten feststellt, dass das als marktgängig einzuschätzende Hochlaufentgelt zum Ablauf des 31.12.2055 noch deutlich unter dem liegen würde, was für eine Finanzierung des Kernnetzes erforderlich wäre und ein Ausgleich des Amortisationskontos nicht zu erwarten ist. Eintreten könnte dieser Fall etwa dann, wenn sich entgegen heutigen Annahmen mittel- und langfristig nur wenige H2-Nutzer an das Kernnetz anschließen würden. Sollte der Bund von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen, ist den Wasserstoff-Kernnetzbetreibern Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.

Ein tragfähiges Finanzierungskonzept?

Die Stellungnahmen zum Finanzierungsmodell zeigen, dass dieses bei den Marktakteuren überwiegend positiv aufgenommen wurde. (8)  Nicht nachgekommen wurde allerdings einer Empfehlung des Bundesrats, der aus Gründen der langfristigen Rechtssicherheit eine Begleitung des Finanzierungsmodells durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Netzbetreibern, Bund und BNetzA gefordert hatte – analog zum Atomausstiegsgesetz und zum Kohleverstromungsbeendigungsgesetz.(9) Zu Unsicherheiten bei der Finanzierung führe auch die Berechtigung des Bundes zur Kündigung des Finanzierungsmodells auf Basis einer einzelnen vom Bund oder der BNetzA in Auftrag gegebenen Studie. Ebenso wurde bemängelt, dass die Finanzierung des Amortisationskontos ab 2035 über den Klima- und Transformationsfond erfolgen soll, der – wie die nicht allzu lang zurückliegende Haushaltskrise gezeigt hat – auf nicht allzu stabilen Füßen steht.

Unterstützen Sie den Aufbau des H2-Kernnetzes, das entscheidend für die Energiewende ist. Ihre Beteiligung trägt dazu bei, die grüne Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland voranzutreiben. Informieren Sie sich jetzt über Möglichkeiten zur Mitgestaltung und bleiben Sie aktiv informiert über die nächsten Schritte.

Kontakt

Cäcilia Gätsch cruh21 GmbH, Tel: +49 40 3346553-75, gaetsch@cruh21.com


Zur Autorin:

“Energiewende vorantreiben, pronto!” - Das ist das Motto unserer Regulatorik-Expertin Cäcilia Gätsch, die seit April 2021 Teil unseres Teams ist. Vor ihrer Zeit bei cruh21 erarbeitete Cäcilia Gätsch für die AquaVentus-Initiative politische Positionspapiere und leitete dort auch die Regulatorik-AG. Für die zu grünem Wasserstoff promovierende Juristin stehen zwei Dinge fest: Erstens: Ohne grünen Wasserstoff und dessen Derivate wird es keine Klimawende geben. Zweitens: Soll diese Schlüsselrolle erfüllt werden, braucht es hierfür einen unterstützenden Rechtsrahmen – nicht in 20 Jahren, sondern zeitnah.

Im Rahmen der drei großen Wasserstoff-Leitprojekte TransHyDE, H2Mare und H2Giga leitet sie heute den Bereich Regulatorik, die sich mit dem rechtlichen Rahmen für die künftige Wasserstoffwirtschaft in Deutschland auseinandersetzt. Parallel dazu schreibt sie ihre Doktorarbeit an der Forschungsstelle für Nachhaltigkeit und Klimapolitik und war auch schon an zahlreichen Publikationen beteiligt.

Schwerpunkte

  • Wasserstoff-Regulatorik auf deutscher und europäischer Ebene
  • Deutsches und europäisches Energierecht
  • Deutsches und europäisches Klimaschutzrecht

 


[1] Die NWS 2023 sieht vor, dass ein Großteil der bis 2030 zu errichtenden Elektrolyseure systemdienlich im Sinne einer Entlastung des Stromnetzes verortet und betrieben werden müssen, vgl. https://www.bmbf.de/SharedDocs/Downloads/de/2023/230726-fortschreibung-nws.pdf?__blob=publicationFile&v=1, S.6. Wie mehrere Studien zeigen, kann eine Stromnetzentlastung dabei v.a. in deutschen Küstenregionen erzielt werden, da hier auch in Zukunft mit einem erhöhten Angebot an Erneuerbaren Energien zu rechnen ist, vgl. dazu https://www.wasserstoff-leitprojekte.de/lw_resource/datapool/systemfiles/elements/files/165C32BED538199EE0637E695E869D69/live/document/TransHyDE-Kurzanalyse_Systemdienliche-Elektrolyse-Standorte.pdf

[2] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Schlaglichter-der-Wirtschaftspolitik/2024/02/07-wasserstoffnetze-energiewende.html

[3] Antragsentwurf Wasserstoff-Kernnetz (bundesnetzagentur.de)

[4] https://montelnews.com/de/news/b11a57a0-a510-42bc-9ad0-ba6fd331fcca/eu-kommission-gibt-3-mrd-euro-fur-h2-kernnetz-frei#:~:text=Die%20EU%2DKommission%20hat%20am,Euro%20erteilt.&text=Damit%20kann%20das%20Genehmigungsverfahren%20f%C3%BCr,Erzeugungszentren%20sowie%20H%C3%A4fen%20miteinander%20verbinden.

[5] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Wasserstoff/Kernnetz/start.html

[6]https://www.bdew.de/media/documents/BDEW_Stellungnahme_Finanzierung_Kernnetz_EnWG_06112023.pdf, S. 4.

[7] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw15-de-energiewirtschaftsgesetz-997410

[8] BMWK - Stellungnahmen zu dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zu Regelungen zum Finanzierungskonzept für das Wasserstoff-Kernnetz

[9]https://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/1040/erl/34.pdf?__blob=publicationFile&v=1

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